Am 19.09.2024 und 29.09.2024 wählt die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main (JG-FFM) für die nächsten vier Jahre ihren neuen Gemeinderat, der wiederum über einen neuen Vorstand entscheidet. Wir als regionaler Verband, der in Frankfurt sehr aktiv ist, wollten die zwei Wahlteams, ihre Ziele und Positionen gerne näher kennenlernen und haben daher eine Liste aus sechs Fragen aka. Wahlprüfsteinen zusammengestellt, die uns besonders brennend interessierten. Euch auch? Dann könnt auch ihr alle Antworten in Ihrer Vollständigkeit nachlesen.
Die Teams und Kandidat*innen
Die folgenden Personen stehen zur Wahl, hier in einer Übersicht mit Wahlnummer und Team-Zugehörigkeit:
Team Chai | Wahlteam 2024 |
1) Miriam Adlhoch 4) Max Baum 7) Julia Davidovski 10) Benjamin Graumann 12) Marc Grünbaum 14) Dr. Rachel Heuberger 16) Adi Josepovici 17) Dr. med. Ilja Kleiman 18) Dr. Daniel Korn 21) Boris Milgram 23) Raphael Perl 24) Alexis Emanuel Petri 25) Anastasia (Nastya) Quensel 26) Nachumi Rosenblatt 27) Sophie Rtveliashvili 30) Dana Schuster 31) Janine Nina Skalieris | 2) Tomer Alon Domb 3) Illia (Eliyahu) Azarkhov 5) Alexandra Bujic 6) Mina Dadashov 8) Anette (Anat) Eckstein 9) Dr. Orna von Fürstenberg 11) Michael Grauss 13) Mihail Hejfec 15) Vladislav Seev Izrailit 19) Stanislav Levin 20) Alon Meyer 22) Ludmilla Movshyn 28) Michael Rubin 29) Boris Schulmann 32) Isaak Usvaev |
Dabei ist zu beachten, dass die Wahl eine Personenwahl und keine Listenwahl ist! Das heißt, obwohl sich die Kandidat*innen zu Teams zusammengeschlossen haben, wählen alle Gemeindemitglieder einzelne Personen und nicht notwendigerweise eine ganze Liste.
Die Wahlprüfsteine
Angeschrieben wurden Marc Grünbaum für das "Team Chai" und Alon Meyer für das "Wahlteam 2024" mit der Bitte, die Fragen an alle Kandidat*innen des Teams weiterzuleiten und zu beantworten. Die Angeschriebenen haben uns ihre Antworten zugesandt, wobei die Antworten stellvertretend für alle Mitglieder der Teams gelten. Die Auflagen waren dabei, dass die Teams bis zum 11.09.2024 antworten sollen und dass die Antworten 2-5 Sätze/maximal 100 Wörter (oder 600 Zeichen ohne Leerzeichen) betragen sollen. Untenstehend listen wir die Antworten der beidem Teams in der Reihenfolge ihres Eingangs auf.
Um alle Antworten eines Teams zu lesen, klappe die entsprechende Leiste auf, indem du auf das Zeichen ">" links neben dem Teamnamen klickst
Viel Spaß beim Lesen!
Die Antworten
Antworten von "Team Chai"
1) Was wirst Du im Gemeinderat dafür tun, um junge Erwachsene und ihre Bedarfe anzusprechen? Welche Angebote oder Maßnahmen liegen Dir hierfür besonders am Herzen?
Uns vom Team Chai ist es sehr wichtig die Bedürfnisse von jungen Erwachsenen zu berücksichtigen. Die überwiegende Mehrzahl unserer Kandidaten ist in ZJD, Jugendzentrum und ZWST sozialisiert und hat dort erste ehrenamtliche Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesammelt. Der Vorstand, der aktuell vom Team Chai gestellt wird, hat deshalb bereits vor 3 Jahren die Zuwendungen an den VJSH verdoppelt und damit bewiesen, wie wichtig uns die Arbeit des Studentenverbandes ist. Unser jüngstes Teammitglied ist die einzige Studentin aller Kandidaten. Wir sind besonders froh, dass sie mit uns kandidiert, weil es uns wichtig ist, die Stimme der Studenten in unserem Team zu berücksichtigen und in unser Wahlprogramm und in unsere Arbeit im Gemeinderat mit einfließen zu lassen. Zudem haben wir dem Leiter des Jugendreferats der ZWST einen Kandidaten in unserem Team, der sich täglich mit der Situation von jungen Juden in Deutschland beschäftigt.
Außerdem haben wir in unserem Team viele junge und engagierte Kandidaten, die teilweise sogar früher selbst im Vorstand des VJSH waren und daher die Perspektive der Studenten und jungen Erwachsenen bestens im Blick haben. Hierbei wollen wir auch unbedingt, dass der VJSH ein eigenes Büro in der Gemeinde bekommt, um gemeinsame Aktivitäten noch besser aufeinander abzustimmen.
Bereits vor zwei Jahren erfolgte auf Einladung des derzeitigen Vorstands, der vom Team Chai gestellt wird, ein runder Tisch mit dem VJSH, dem Jugendzentrum, Jewish Experience, der ZJD und Club Sababa, um sich besser zu vernetzen und Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Diesen Weg wollen wir als Team Chai fortführen und ausbauen. Wir haben noch viele weitere Ideen, wie wir die Gemeinde für junge Erwachsene noch attraktiver machen wollen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Co-Working-Spaces und Networking-Events.
2) Einige junge Menschen interessieren sich für Entscheidungsprozesse und strategische Themen in Gemeinden, aber nur wenige unserer Gemeinderats- und Vorstandsmitglieder sind U35. Welche Maßnahmen brauchen wir, um die aktive Beteiligung junger Menschen in der Gemeinde (z.B. in Gremien und im Gemeinderat) zu gewinnen und bestehende Mitglieder dieser Altersgruppe zu binden?
Ein Mitglied von Team Chai war bei der letzten Wahl mit 38 Jahren der erste Vertreter der dritten Generation im Gemeindevorstand. Wir wollen diesen Generationenwechsel fortsetzen und setzen dabei auf die wichtige Mischung aus Erfahrung und neuen Ideen. Es war unsere Idee im Rahmen der letzten Wahlperiode, eine Kommission Gemeinde 2030 zu etablieren, die von einem Mitglied des Team Chai geleitet worden ist. Hierbei wurden vor allem junge Stimmen gehört und eingebunden, um gemeinsam über neue Ideen für unsere Gemeinde nachzudenken. Diese Initiative möchten wir gerne beibehalten und noch erweitern. Auch unsere neue Gemeinde-App, an der auch ein Vorstandsmitglied des VJSH mitgewirkt hat, ist ein Mittel, um junge Erwachsene noch besser zu erreichen und an die Gemeinde zu binden. Hinzu kommen neue Veranstaltungsformate wie die Kosher Connection – die Möglichkeit für Young Professionals sich zu vernetzen -, die von uns etabliert worden sind. Auch die von uns etablierte Purim-Party richtet sich an junge Erwachsene ebenso wie der Club Sababa, der bereits vor 9 Jahren von uns gegründet wurde und das erste Format für junge Erwachsene in einer jüdischen Gemeinde gewesen ist. Wir möchten zukünftig die Gesprächsrunden und Veranstaltungen für junge Erwachsene ausbauen und ihnen ein Forum geben, um sich regelmäßig über alle relevanten Themen auszutauschen. Wir sind in Frankfurt die Gemeinde mit der jüngsten Altersstruktur in Deutschland und sehen hier noch viel Potential, um junge Menschen noch stärker in alle Prozesse der Gemeindearbeit einzubinden,zum Beispiel durch die Einrichtung einer Kommission für jungen Erwachsene. Wir wollen auch gezielt einige Initiativen von Gemeindemitgliedern unterstützen und haben dafür auch mit unserer neuen Community Management Abteilung einen Ansprechpartner geschaffen. Wir denken, dass es gerade unter jungen Erwachsenen auch viele eigene Ideen gibt, bei deren Umsetzung wir helfen möchten.
3) In der Vergangenheit wurde die Forderung nach einem Referat für junge Erwachsene (z.B. in Form einer Teilzeitstelle) laut. Wie stehst Du zu dieser Forderung und welche Ideen und Konzepte hast du für die Ausgestaltung einer solchen Position, um die Bedürfnisse junger Gemeindemitglieder bestmöglich zu unterstützen?
Die Idee aus dem VJSH, einen Referenten für junge Erwachsene einzustellen, wurde vom Vorstand, der vom Team Chai gestellt wird, bereits aufgegriffen. Auf Vorschlag des Finanzdezernenten wurde diese Stelle bereits eingeplant und soll sehr schnell nach der Wahl ausgeschrieben und besetzt werden. Wir stehen also uneingeschränkt dafür ein, dass ein Referat für junge Erwachsene etabliert wird. An diesem Beispiel sieht man, wie eng und vertrauensvoll die Kooperation zwischen dem VJSH und dem Vorstand bisher verlief. Wir stehen glaubwürdig dafür ein, dies auch beizubehalten, zumal zwischen den beteiligten Personen bereits ein langjähriges Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde und viele gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt worden sind.
4) Kinder eines jüdischen Vaters machen einen beträchtlichen Anteil derjenigen, die als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, aus. Viele von ihnen sind in einer jüdischen Umgebung sozialisiert worden, sind aber von den Aktivitäten der meisten Einheitsgemeinden ausgeschlossen. Wie stehst Du zu der Frage, ob und wie man diese Personengruppe besser ins Gemeindeleben einbinden könnte?
Dies ist ein wichtiges Thema, welches wir selbstverständlich im Blick haben. Gerade in der jetzigen Zeit ist es wichtig, dass wir allen, die jüdisch sozialisiert sind, das schützende Dach der jüdischen Gemeinde zur Verfügung stellen. Wir sind nur gemeinsam stark und müssen hierfür Lösungen finden, allerdings nicht nur als Jüdische Gemeinde Frankfurt, sondern koordiniert mit dem Zentralrat der Juden und den Rabbinern. Diesbezüglich haben wir mit den Gemeinderabbinern, der ZWST und dem Zentralrat der Juden bereits zahlreiche Gespräche geführt, um gemeinsam Lösungen zu erörtern und wir wollen uns in der Zukunft noch intensiver damit beschäftigen.
5) In den letzten Jahren gab es auch in jüdischen Institutionen in Deutschland Fälle von Machtmissbrauch und (sexualisierter) Gewalt. Was wirst Du dafür tun, um solche Fälle in unserer Gemeinde zu verhindern, Betroffene besser zu schützen und Verantwortliche ggf. zu ahnden?
Die jüdische Gemeinde in Frankfurt hat hierzu bereits auf Vorschlag des Vorstands, der vom Team Chai gestellt wird, im Frühjahr dieses Jahres beschlossen, einen Leitfaden für Mitarbeiter zu erstellen, um ihnen die Möglichkeit geben, entsprechende Fälle unverzüglich zu melden. Hier gab es Nachholbedarf und wir sind froh, dass es nun eine solche Stelle eingerichtet worden ist. Für die Erstellung dieses Leitfadens wurde externe Hilfe von Psychologen und Anwälten eingeholt, da dieses Thema selbstverständlich sehr ernst genommen wird. Es ist uns wichtig, hier klar Position zu beziehen und alle Mitarbeiter zu schützen. Darüber hinaus wurde von uns nun eine externe Meldestelle, außerhalb der Gemeindestrukturen, eingerichtet bei der unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte Fälle gemeldet werden können, unverzüglich Unterstützung geleistet und der Prozess der Aufklärung fachkundig begleitet wird. Team Chai akzeptiert keine Form der Diskriminierung, des Machtmissbrauchs oder (sexualisierter) Gewalt.
6) Wir alle, aber gerade auch junge Erwachsene sind vielfach vom aktuellen Krieg in Israel betroffen (z.B. persönliche Verluste, Antisemitismus-Erfahrungen an Hochschulen und auf der Arbeit, Reservedienst in der israelischen Armee). Welche Maßnahmen würdest Du ergreifen, um diese Betroffenen bestmöglich zu unterstützen und ihre Bedarfe in unserer Gemeinde zu berücksichtigen?
Wir haben nach dem 07.10 dafür gesorgt, dass vielen israelischen Familien, die zu uns gekommen sind, direkt geholfen wurde. Keine andere jüdische Gemeinde in Deutschland hat mehr israelische Familien aufgenommen als wir. Wir haben Work-Spaces für Eltern organisiert und Kinder betreut. Aus der Mitte der Gemeinde heraus haben wir Psychologen gefunden, die sich bereit erklärt haben, ehrenamtlich zu helfen und ihre Zeit allen Mitgliedern zur Verfügung zu stellen, die nach dem 07.10 Hilfe benötigen.
Wir stehen dafür ein, eine klare, laute und sichtbare Stimme gegen Antisemitismus zu sein, so konnten wir beispielsweise einen Shabbat-Tisch in Erinnerung an die Geiseln direkt vor dem Römer organisieren sowie zahlreiche Demonstrationen gegen Antisemitismus. Durch unsere langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Politikern der Stadt Frankfurt, des Landes Hessen aber auch mit den Präsidenten der Goethe Universität und der Frankfurt University of Applied Sciences haben wir und werden auch zukünftig jüdische Studenten schützen sowie gegen ein Klima des Hasses und der Ausgrenzung von jüdischen Studenten oder Initiativen eintreten. Zudem haben wir ständig und auch in enger Absprache mit dem VJSH Stellung genommen zu den antisemitischen Demonstrationen an der Frankfurter Universität. Es ist uns auch zukünftig wichtig, hier eng an der Seite jüdischer Studenten zu stehen, den Austausch zu erweitern und gemeinsam gegen Antisemitismus zu kämpfen. Die jüdische Gemeinde ist das schützende Dach für alle von uns. Wir wollen auch weiterhin den Zusammenhalt, der unsere Gemeinde so besonders macht, stärken.