Frankfurt am Main, den 19. Juli 2024
Was ist geschehen?
Am 17. Juli 2024 um 13 Uhr versammelten sich etwa 50 Personen am Westendcampus der Goethe-Universität Frankfurt am Main unter dem Motto „Hands Off Gaza“. Zu dieser “Semesterabschluss-Demonstration” rief das Kollektiv mit dem Namen „students4Palestine.ffm“ auf, das bereits das „pro-palästinensische“ Protestcamp vom 20.-26. Mai 2024 organisierte. Auch der SDS Frankfurt am Main bewarb die Kundgebung und beteiligte sich daran.
Unter dem Vorwand, sich für die aufgrund des Hamas-Israel-Krieges einer prekären Lage ausgesetzten palästinensischen Zivilbevölkerung und ihre Menschenrechte einzusetzen, riefen die Teilnehmenden Parolen wie
„From the river to the sea, Palestine will be free“, „From Frankfurt to Gaza, yallah Intifada“ sowie „Huryia Huryia, Falasteen Arabyia“ (Freiheit, Freiheit, Palästina ist arabisch).
Diese völkisch-nationalistischen und antisemitischen Parolen haben wir bereits in vergangenen Statements eingeordnet.
Zudem kam es durch eine Teilnehmerin der Kundgebung zu einem verbalen Angriff auf einen jüdischen Studenten auf dem Campus, der zugleich Mitglied des VJSH und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt ist:
Dieser fuhr mit seinem Fahrrad zufällig in Schrittgeschwindigkeit an dem Demonstrationszug vorbei und wurde von einer Teilnehmerin, die Flyer der Demo verteilte, aufgrund seines Zizits (Fäden eines jüdisch-religiösen Kleidungsstücks für Männer) als Jude erkannt. Sie rief ihm hasserfüllt zu:
„Du hast gerade ein Kind getötet, Zionist!“
Die Assoziation von Jüd:innen mit Kindermord reproduziert das antijudaistische Narrativ der Ritualmordlegende aus dem Mittelalter, das seitdem zur Rechtfertigung von Pogromen und Gewalt gegen Jüdinnen in Europa und später auch in muslimischen Ländern herangezogen wurde. (1) Zionist wird hierbei als Tarnwort verwendet, um den eigenen Judenhass zu verschleiern und dabei klassische, explizit antisemitische Stereotype verwenden zu können.
Der Hintergrund zum Kollektiv
Das Kollektiv „students4Palestine.ffm“ hat personelle Überschneidungen zum Kollektiv „Studis gegen rechte Hetze“, das wiederum personelle Überschneidungen mit der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Kommunistischen Organisation hat. Die Kommunistische Organisation bewirbt eine Broschüre, die zum Kampf gegen das Verbot der Terrororganisation Hamas aufruft. (2)
Und auch beim Protestcamp wurde die extremistische Haltung ersichtlich:
So beteiligte sich der Versammlungsleiter selbst an den völkisch-nationalistischen Parolen und rief wortwörtlich zur „Vertreibung“ anderer Studierender auf, die gegen Antisemitismus protestierten. Das Camp duldete zudem nicht nur Aitak Baranis Anwesenheit dort, die in Bezug auf den Krieg im Gaza-Streifen und die israelische Kriegsführung sagte:
„Wer diesem Verbrechen keine Aufmerksamkeit schenkt, verwirkt aus meiner Sicht das eigene Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.“ (3)
Auch beklatschte das Camp am 26. Mai 2024 eine Aufnahme von der Aussage Baranis, es gäbe „keinen Hamas-Terror“, mit tosendem Beifall und entlarvte damit seine Abscheu gegenüber universalen Menschenrechten. Dies erklärt, warum Presseprecher*innen des Camps sich nur wenige Tage zuvor weigerten, sich von der Hamas zu distanzieren. (4)
Eingeladen wurden diverse Akteure der extremistisch-antizionistischen Bewegung, etwa Wieland Hoban, Vorsitzender der „Jüdischen Stimme“, die am 7. Oktober 2023 die in Südisrael einfallenden und israelische Zivilist*innen massakrierenden Hamas-Terroristen als „Guerillakämpfer“ bezeichnete, die „aus ihrem Ghetto ausgebrochen“ seien. (5) Hoban ist zudem prominentes Mitglied der Revolutionären Linken, die wiederum nach eigenen Angaben die Terrororganisation Hamas „ohne Einschränkung und ohne Bedingungen“ verteidigt.
Ein großes Plakat durfte über die gesamte Dauer des Camps direkt im Camp hängen: „Free Palestine From German Guilt“, das einen Angriff auf die deutsche Erinnerungskultur darstellt und die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust relativiert. Zudem bedient es sich der rechtsextremen Rhetorik eines vermeintlichen „Schuldkults“, dem die Deutschen hörig seien, oft verbunden mit der Verschwörungstheorie, Juden würden diese Erinnerungskultur instrumentalisieren. Der SDS beteiligte sich offen mit Input am Programm des Camps, betrieb Werbung und verfasste ein Solidaritätsschreiben am 22. Mai 2024.
In einer Podiumsdiskussion mit Professor*innen am Tag nach dem Camp (27. Mai 2024) wurde in einer Veranstaltung unter dem Namen „Building Bridges - Universität zwischen Diskurs und Protest“ weiter gegen die Erinnerungskultur geschossen. Der Versammlungsleiter behauptete, man könne es nicht nur den deutschen Faschisten vorwerfen, dass es so wenig Juden in Deutschland gibt, sondern auch jenen, die der Ansicht wären, man könne nicht mehr hier Deutschland zusammenleben und die sich daher zur „Selbstabschiebung irgendwo anders hin“ entschieden hätten.
In anderen Worten: der Versammlungsleiter des Camps warf „Zionisten“, damit sind jüdische Auswander*innen gemeint, die ins ehemalige Britische Mandatsgebiet Palästina aus Nazi-Deutschland fliehen mussten, „Selbstabschiebung“ vor und betrieb somit eine Täter-Opfer-Umkehr. Dies stellt nach der IHRA eine Verfälschung und Verharmlosung des Holocausts (6) sowie eine Entlastung der Verantwortung der NS-Verbrecher dar.
Seitens der anwesenden Professor*innen gab es zu dieser Aussage keinen Widerspruch.
Fazit:
Studis gegen rechte Hetze sowie „students4palestine.ffm“ betreiben und normalisieren israelfeindliche, antisemitische, geschichtsrevisionistische und völkisch-nationalistische Hetze an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Berechtigte Kritik an und Sorgen aufgrund ihrer Äußerungen ziehen das Kollektiv und seine Akteure auf zynisch-hämische Weise ins Lächerliche und tragen somit zu einem gesellschaftlichen Klima an der Goethe-Universität bei, in dem die Diskriminierungserfahrungen jüdischer Studierender nicht ernst genommen, sondern belächelt werden. Das Camp duldete zudem in seinem Protestcamp Plakate, die die Erinnerungskultur an die Shoa angreifen.
Der Versammlungsleiter selbst relativierte subtil die Verantwortung des NS-Regimes für den Holocaust durch Victim-Blaming („Selbstabschiebung“).
Mit Unterstützung vom SDS trägt Studis gegen rechte Hetze wesentlich zur Normalisierung von israelbezogenem Antisemitismus am Campus bei, was wiederum in einem Klima der Einschüchterung mündet, welches das Grundrecht jüdischer Studierender auf Berufsfreiheit sowie den freien akademischen Diskurs und die friedliche Koexistenz von Menschen unterschiedlicher Herkünfte am Campus gefährdet.
Nun mussten wir leider den ersten verbalen und direkten Angriff auf eine offen sichtbare jüdische Person, ein Mitglied von uns, erleben. Wir sehen Studis gegen rechte Hetze aufgrund ihrer antisemitischen Hetze und dauernden Angriffen auf die Erinnerungskultur in der Mitverantwortung für diese abscheuliche Tat.
Dass ein öffentlich erkennbarer jüdischer Student aufgrund seiner Identität angegriffen wird, zeigt, wie weit sich die Akteure radikalisiert haben, sowie wie offen und unverblümt sie ihren Judenhass zur Schau stellen. Zugleich stellte sich die Behauptung, man hätte ja „nichts gegen die Juden, sondern was gegen Zionisten“, während man sich zugleich wiederkehrend antisemitischen Parolen und Stereotypen bedient, als falsch heraus.
Dass der SDS sich als politische Hochschulgruppe weiterhin einer Gruppe beisteht, die Hass gegen Studierende aufgrund ihrer Ethnie, Religion und politischen Weltanschauung sät, sehen wir als gravierende Vernachlässigung der eigenen Verantwortung.
Wir verurteilen den widerwärtigen, antisemitischen Angriff aufs Schärfste und fordern Konsequenzen.
Der notleidenden palästinensischen Zivilbevölkerung, die jede Form der humanitären Unterstützung akut gebraucht, hilft dies mitnichten.
Quellen: